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Die hallesche Wohnungs- und Baupolitik der 1920er-Jahre war maßgeblich von zahlreichen staatlichen Richtlinien und Verordnungen abhängig. So wurde ein Wohnungsamt gegründet, in dem alle den Wohnungsbau betreffenden verwaltungstechnischen Belange zusammenliefen. Wohnungen in Halle (Saale) zu planen und neu zu bauen, lag in den Händen des 1921 ins Amt berufenen Wohnungsdezernenten Paul May und des Stadtbaurats Wilhelm Jost. Durch eine gezielte Bodenpolitik nach dem Ende des Ersten Weltkrieges gelang es, den städtischen Besitz der bebaubaren Fläche zu steigern und damit die Grundvoraussetzungen für eine zukünftige Stadterweiterung zu schaffen.
Für den Wohnungsbau, der sich vor dem Krieg bevorzugt auf den Norden der Stadt konzentriert hatte, stand vor allem eine Bebauung des Südens im Fokus, da sich hier neben großzügigen Bauarealen für Großsiedlungen auch die Großbetriebe wie Ammendorf oder Leuna befanden und so den Arbeiterinnen und Arbeitern eine ideale Verkehrsanbindung bieten konnten. Stadtbaurat Jost zeichnete für die nun folgende Stadterweiterung verantwortlich. Seinem Ideal entsprechend sollten gartenstadtähnliche Siedlungen das Stadtzentrum umgeben und durch wenige Radialstraßen verbunden sein. Leider scheiterten die ersten Pläne an der Finanzierbarkeit. Der hallesche Oberbürgermeister Rive bewegte jedoch die Großbetriebe dazu, Werkswohnungen zu bauen. Daraus resultierte 1922 die Gründung der Kleinwohnungsbau Halle AG, die sich neben dem 1910 gegründeten Bauverein für Kleinwohnungen zu einer wichtigen Instanz im halleschen Wohnungsbau etablierte.
Die Stadt sicherte sich mehr als 50 Prozent des Stammkapitals und konnte somit die Bauprojekte stets beeinflussen. Die restlichen Anteile wurden in Form von Aktien den ansässigen Betrieben angeboten, um sie aktiv am Wohnungsbau zu beteiligen. Mit dem Architekten Heinrich Faller war schon bald eine Persönlichkeit gefunden, die die baulichen und wirtschaftlichen Geschicke der Genossenschaft leiten sollte. Ab dem Jahr 1922 begannen mit der Gartenvorstadt Süd die Planungen und Realisierungen erster Großsiedlungen, die in den folgenden Jahren mit der Gartenvorstadt Am Gesundbrunnen, dem Lutherviertel oder der Siedlung Vogelweide umgesetzt wurden. Daneben prägten viele kleinere Wohnanlagen das Bild der Stadt. Doch obwohl bis 1930 die Wohnungsproduktion in Halle mit jährlich durchschnittlich 1 500 Wohneinheiten ihren Höhepunkt erreicht hatte, fehlte es nach wie vor an Wohnraum bis weit über die Existenz der Weimarer Republik hinaus.
Um den ständig wachsenden Strombedarf einer leistungsfähigen Energieversorgung zu decken, war die Infrastruktur moderner Städte in den 1920er-Jahren äußerst wichtig. Stadtbaurat Wilhelm Jost entwarf deshalb nicht nur das heute nicht mehr komplett vorhandene Kraftwerk in Trotha (1924–26), sondern zwischen 1924 und 1928 auch Umspann- und Umformstationen, um die einzelnen Haushalte der Stadt über eine Verteilung mit Strom zu versorgen. Der von den Generatoren des Kraftwerks erzeugte Drehstrom mit einer Spannung von 3 000 bzw. 6 000 Volt wurde in einem Schalthaus auf 15 000 Volt erhöht und an die verschiedenen Umspann- und Umformstationen weitergeleitet. Für den Stadtbaurat Jost sollte die Bauaufgabe des Kraftwerks Trotha und der Verteilerstation ein Experimentierfeld für eine moderne architektonische Formensprache werden, die sich heute als historisierend bis hin zu sachlich-elegant beschreiben lässt.